Segmentielle Innenschalen-Betonierung

Abschnittweise Betonierung der Innenschale in der Südröhre mit Blickrichtung Hessisch Lichtenau

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26.02.2017

Exkursion zum A44-Tunnel Hirschhagen

Kontakt
VDE Bezirksverein Kassel e.V.
Bohrlocherstellung für die Sprengung

Im Buntsandstein werden die Bohrlöcher für die Sprengung des nächsten Abschlags hergestellt

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Am 10.06.2015 und am 22.02.2017 besuchten jeweils 30 Mitglieder des VDE Kassel und des VDI Nordhessen die Baustelle des A44-Tunnels Hirschhagen, der seit dem Tunnelanschlag am 9. Juni 2013 unter dem Rohrberg als Teil des Kaufunger Waldes und der ehemaligen Munitionsanstalt Hirschhagen erstellt wird. Die Fertigstellung des Tunnelrohbaus erfolgt voraussichtlich Ende 2019, die Baulänge des gesamten Streckenabschnittes mit der Bezeichnung Verkehrskosteneinheit (VKE) 12 beträgt 5,9 km, hiervon die Tunnellänge ca. 4,2 km.

Der Neubau der A44 Kassel - Eisenach ist nicht nur ein wichtiger Baustein innerhalb Europas, als Teil des transeuropäischen Verkehrswegenetzes verbindet sie Staaten im Westen mit Polen sowie weiteren Staaten im Osten. Auch innerhalb Deutschlands wird die aus dem Ruhrgebiet kommende und heute am Kasseler Kreuz endende BAB 44 eine wichtige Verbindungsfunktion in West-Ost-Richtung wahrnehmen. Die Verbesserung der Fernerschließung durch die A44 ist die Voraussetzung für strukturfördernde Effekte.

Vortrag durch Hessen Mobil

Die Planer von Hessen Mobil, die Herren Stefan Buchholz (li.) und Reinhold Rehbein, tragen den Exkursionsteilnehmern die Baumaßnahme vor

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Insbesondere der Raum Kassel mit seinen prosperierenden Branchen wird davon profitieren, darüber hinaus auch die Region und dabei besonders für Gemeinden an der Bundesstraße B7 durch Entlastungseffekte auf den vorhandenen Bundesstraßen ein besseres und sichereres Wohnumfeld schaffen. In unserer Region entsteht mit dem Hirschbergtunnel im Verlauf der Bundesautobahn (BAB) A44 von Kassel nach Eisenach der mit ca. 4.200 Metern Länge längste Straßentunnel Hessens. Es handelt sich hier um die sogenannte Verkehrskosteneinheit (VKE) 12. Östlich angeschlossen ist die bereits dem Verkehr übergebene VKE 20 Hessisch Lichtenau-West - Hesssich Lichtenau-Mitte mit dem Schulberg-Tunnel. Westlich wird sich nach Planfeststellung und sicherlich einige Jahre dauerndem Bau die VKE 11 vom Anschluss an die BAB 7 bis Helsa-Ost anschließen. Die planfestgestellte VKE 12 mit dem Hirschbergtunnel wurde nach Planfeststellung zunächst von der BürgerinitiativePro A44 beklagt, Anfang 2012 aber die Klage beim Bundesverwaltungsgericht abgewiesen und damit der Planfeststellungsbeschluss in seiner Rechtsmäßigkeit bestätigt. Der Bauauftrag zum Bau des Tunnel Hirschhagen inklusive des angrenzenden Streckenabschnittes wurde im Januar 2013 vergeben, die Bauarbeiten im Februar 2013 begonnen. Der Tunnelanschlag erfolgte am 9. Juni 2013. Die Baulänge des gesamten Streckenabschnittes beträgt 5,9 km (Quelle © Hessen Mobil).

Bohrlocherstellung für Sprengung

Im Buntsandstein werden die Bohrlöcher für die Sprengung des nächsten Abschlags hergestellt

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Nun aber aus der Feder eines Laien in bautechnischer, speziell den Tunnelbau betreffender Sicht eine oberflächliche Beschreibung des Bauablaufs, der dem Unterzeichner dieses Berichts anlässlich der beiden Exkursionen im Juni 2015 und Februar 2017 im Gedächtnis haften geblieben ist.

Grundsätzlich erfolgt die Erstellung nach der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise (NÖT), bei der "der Gedanke im Vordergrund steht, Gebirgsdrücke nicht oder nur in geringem Umfang zuzulassen und die Eigentragfähigkeit des Gebirges weitgehend zu erhalten. Dazu werden die örtlichen geologischen und gebirgsmechanischen Bedingungen beachtet, womit dieses Verfahren über eine reine Bauweise mit schematisierten Verfahrensweisen für den Ausbruch und für die Sicherung des Tunnelhohlraums hinausgeht" (Quelle © Wikipedia). Der Ausbruch erfolgt im Wesentlichen in drei Schritten:

  • zunächst wird die sogenannte Kalotte, also der obere (Halb-)Bogen des Tunnels ausgebrochen,
  • danach die sogenannte Strosse, also der mittlere Bereich mit dem größten Durchmesser,
  • und zum Schluss die Sohle, der nach Abschluss aller Arbeiten unter dem Fahrweg liegende Bereich.
Erläuterung der Baumaßnahme

Erläuterung der Baumaßnahme durch Hessen Mobil

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Beim Ausbruch des Tunnels sind zwei Methoden verwendet worden: Im überwiegend vorherrschenden Buntsandstein die Sprengung und - im geringeren Umfang bei lockerem Boden benutzt - der Bagger.

Üblicherweise erfolgt der Ausbruch mit einer Tiefe von ca. 1,4 Metern. Bei der Sprengmethode wird nach dem Wegräumen des Haufwerks der vorangegangenen Sprengung und der Sicherung durch die nachfolgend beschriebene Spritzbetonschicht vor dem Bohren der Sprenglöcher auch die Ortsbrust mit Spritzbeton gesichert. Da die Lagerung von festem Sprengstoff angesichts der erheblichen Mengen auszubrechenden Gebirges ein hohes Sicherheitsrisiko dargestellt hätte entschied man sich für flüssigen Sprengstoff, dessen beide Komponenten erst am Bohrloch beim Einbringen miteinander vermischt wurden und jede für sich genommen ungefährlich war. Gezündet wurde nicht elektrisch, sondern mit imprägnierten Glimmzündern, bei denen es nicht auf die Zündung innerhalb eines exakten Zeitraums weniger hundertstel Sekunden ankam. Zuerst musste bei jeder Sprengung der innerste Kernbereich nach vorn aus der Ortsbrust herausgebrochen werden, erst danach folgten im Abstand von wenigen Sekunden die den Kern umgebenden Bereiche durch Ausbruch nach innen. 

Erläuterungen und Diskussion im Tunnel

Erläuterungen und Diskussion im Tunnel während der Exkursion im Juni 2015

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Unmittelbar nach dem Ausbruch wird das stehengebliebene Gebirge mit zügig aushärtendem Spritzbeton in einer Stärke von durchschnittlich 40 cm gesichert, verstärkt durch zwei auf Abstand gehaltene Baustahlmatten. Zusätzlich werden bis zu vier Meter lange Rohranker radial in den Berg getrieben und ebenfalls mit Beton verpresst. Je nach Gestein werden darüber hinaus im oberen Bereich mit Beton verpresste Rohrschirme mit bis zu 15 Metern Länge mit einer Steigung von ca. 10° bis 15° zur Tunnelachse eingebaut. Diese sichern beim weiteren Vortrieb des Tunnels das Hangende.

Wie schon weiter oben beschrieben liegt der NÖT der Gedanke zugrunde, die Gebirgsdrücke zumindest erheblich zu begrenzen oder gar zu verhindern. Die Spritzbetonschicht sichert zum einen das Hangende und ermöglicht mit dem jeweils nur einige Tage später erfolgenden Ausbruch und anschließender Sicherung von Strosse und Sohle einen Kraftschluss in Form eines Ringes. Durch den Ausbruch entstehende Umlagerungen innerhalb des Gebirges erfolgen innerhalb von ein oder zwei Tagen. 

Erläuterungen und Diskussion im Tunnel

Erläuterungen und Diskussion im Tunnel während der Exkursion im Juni 2015

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In Fahrtrichtung Hessisch Lichtenau beginnt der Tunnel Hirschhagen südlich der Gemeinde Helsa etwa auf Höhe der Siedlung Waldhof, als Ortsteil von Helsa jedoch am rechten Ufer der Losse gelegen, und nördlich des Ortsteils Eschenstruth von Helsa. Sie führt zunächst mit einem Gefälle 0,1 % in einer weiten Linkskurve unter der Bahnstrecke und der Losse hindurch, um dann mit einer Steigung von 4 % und später mit 2,5 % kurz vor der AS Hessisch Lichtenau - West nach einer Länge von knapp 4.200 Metern zu enden. Er ist damit der längste Straßentunnel in Hessen und der zweitlängste in Deutschland. Mit über 10 km Länge sind allerdings die beiden ICE-Tunnel Grenzwald und Münden auf der Eisenbahnstrecke Hannover - Würzburg, welche auch nach der NÖT erstellt wurden, mehr als doppelt so lang.
Schwierigster Abschnitt war nach Unterquerung der Bundesstraße 7 und der Bahnstrecke nach HeLi die Unterquerung der Losse. Hier waren mehrere geologische Störungszonen zu überwinden, welche in Abwandlung der NÖT zum sogenannten Ulmenstollenvortrieb zwangen. Hier wird der spätere Tunnelquerschnitt in mehrere Abschnitte unterteilt, im konkreten Fall waren es drei. Zunächst wird nur der linke Teil der Kalotte ausgebrochen, dann darunter deren Strosse und Sohle. Der jetzt entstandene Hohlraum ist allseitig mit bewehrtem Spritzbeton umgeben und nimmt so Lasten aus dem Gebirge auf. Anschließend wird der rechte Teil der Kalotte usw. in gleicher Weise ausgebrochen und so entsteht nach Ausbruch des mittleren Teils ein dreigeteilter Querschnitt, der allseitig von bewehrtem Spritzbeton umgeben ist und dessen mittlere Streben anschließend herausgesägt werden können.